Im Laufe der Evolution hatten die Menschen einen Vorteil, die in schlechten Zeiten besser mit oft knappem Nahrungsangebot zurechtkamen. Dieser ehemalige Vorteil ist in der modernen Industriegesellschaft zum grundlegenden Problem geworden. Nahrungsmittel werden immer fett- und zuckerhaltiger, auch salziger. Zunehmende Folgen sind Übergewicht, Diabetes, Bluthochdruck, Allergien, Krebs und chronische Entzündungen. Mangelnde Bewegung tut ein Übriges.
Heißt das, wir müssen künftig auf Zucker generell verzichten? Keinesfalls.
Aber: Zucker ist nicht gleich Zucker
Zucker (Kohlenhydrate) stellen eine der drei Hauptklassen der biologischen Naturstoffe neben Fetten (Lipide) und Eiweißen (Proteine) dar. Die Bezeichnung Kohlenhydrate geht auf C. Schmidt (1844) aufgrund der beobachteten chemischen Zusammensetzung zurück und wurde bis heute beibehalten. Immer sind Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff enthalten, manchmal noch Stickstoff. Nach der Molekülgröße geordnet unterscheidet man Einfachzucker (einfache Kohlenhydrate oder Monosaccharide). Es sind 200 natürlich vorkommende Monosaccharide bekannt. Sind bis zu 6 Moleküle miteinander verbunden, spricht man von mittleren Zuckern (Oligosaccharide, z.B. Zweifachzucker = Disaccharid, Dreifachzucker = Trisaccharid). Ist eine sehr große Anzahl von Einzeleinheiten miteinander verknüpft (durch besondere glykosidische Bindungen), liegt ein Vielfachzucker (Polysaccharid) vor. Es können dabei bis zu mehreren tausend Einzeleinheiten miteinander verbunden sein. Sie bilden dann lange, meist verzweigte Ketten.
Ein bekanntes Beispiel ist sicher die Kartoffelstärke, der wichtigste pflanzliche Reservestoff. Stärke setzt sich aus zahlreichen Glucosemolekülen (Einfachzuckermoleküle) zusammen. Die Stärke besteht aus Amylose (unverzweigte Glucosekette) und Amylopektin (verzweigte Glucosekette). Zellulose ist die Gerüstsubstanz der Pflanzen. Sie ist nicht wasserlöslich und kann im Darm des Menschen nicht ohne Enzyme angegriffen werden und gilt deshalb als sehr guter Ballaststoff. Das Reservekohlenhydrat beim Menschen ist auch ein Polysaccharid und heißt Glykogen.
Schlechter Zucker – schädlich für die Gesundheit
Vom „schlechten“ Zucker spricht man, wenn der hochverarbeitete, industriell hergestellte Zucker gemeint ist. Der raffinierte Haushaltszucker (chemisch eine Saccharose) sorgt für große Probleme der menschlichen Gesundheit. Meist im Zusammenhang mit Bewegungsmangel sind bei übermäßigem Verzehr – jeder Bürger Deutschlands verzehrt jährlich ca. 48 kg – z.B. Übergewicht die Folge, welcher dann ursächlich für Bluthochdruck sein kann. Bleibt hoher Blutdruck unbehandelt, können Herzinfarkt, Schlaganfall, Nierenversagen oder Erblindung drohen. Oft schädigt ein zu hoher Blutdruck auch den Herzmuskel. Die Senkung des Blutdrucks könnte also auch durch die Verringerung des Konsums entsprechend zuckerhaltiger Produkte gefördert werden.
Essenzieller Zucker – nützlicher Zucker für die Gesundheit
Essenzielle Zucker haben nichts mit dem industriell hergestellten Haushaltszucker zu tun. Sie sind lebenswichtig für das Funktionieren unseres Körpers. Als bioaktive Wirkstoffe sind sie in den letzten Jahren immer mehr in den Fokus der Medizin gelangt. Es gelten 8 Einfachzucker und aus ihnen zusammengesetzte Vielfachzucker als essenziell, weil sie vom menschlichen Organismus zwar weiterverarbeitet aber nicht selbst hergestellt werden können. Bei unserer täglichen Nahrungsaufnahme sollten wir dies beachten.
[wp-svg-icons icon=»point-right« wrap=»i«] Mondoa und M. Kittel (Autoren des Buches: „Sugar that heal“) stellen überzeugend und belegt dar, dass essenzielle Zucker und ihre Verbindungen einen unverzichtbaren Beitrag zur Gesunderhaltung aber auch zur Stärkung des eingeschränkten Immunsystems leisten. Ihrer Funktion im Körper werden die nützlichen Zucker gerecht, indem sich die essenziellen Zucker verbinden.
Wenn man die bioaktiven Wirkungen der Glykoproteine, Glykoside bzw. Glykolipide berücksichtigt und in unsere Ernährung einbezieht, spricht man oft verkürzt von Glykonährstoffen.
Pflanzen und Gesundheitszucker
Seit Jahrhunderten finden Heilpflanzen in der Volksmedizin Anwendung. Heute greift man wieder zu nehmend auch auf die alte chinesische Gesundheitskunst zurück.
Verschiedene Pflanzenteile können in Tinkturen, Salben, Zäpfchen, Tropfen u.a. verarbeitet werden. Nicht zu vergessen die verschiedenen Tees. Die moderne Naturheilkunde setzt oft auf Fertigpräparate, die genau dosiert werden können und sehr selten Nebenwirkungen haben.
An dieser Stelle sollen drei Pflanzen erwähnt werden, die besonders aufgrund der nützlichen Polysaccharide für die Naturheilkunde interessant sind. (Es gibt natürlich sehr viele Heilpflanzen).
Zu den 12 großen Heilbäumen Mitteleuropas zählen die in der Bevölkerung gut bekannte Linde (Familie der Lindengewächse) und die Lärche (Familie der Kieferngewächse). Die Linde enthält verschiedene Polysaccharide, besonders Arabinogalactane. Häufig werden Lindenpräparate zur Hustenreizlinderung angewendet. Bei uns wird Lindenblütentee gern als Schweißtreiber bei fiebriger Erkältung genutzt. Arabinogalactan ist auch in der Lärche enthalten. Es wirkt entzündungshemmend, stärkt das Immunsystem, fördert die Selbstzerstörung (Apoptose) von Krebszellen und hemmt damit die gefährliche Metastasenbildung. Interessant vielleicht an dieser Stelle, dass das Lärchenarbinogalactan (LAG) auch bei der Wundheilung hilft. Besonders oft stellt sich dieses Problem bei Diabetikern. Arabinogalactan hat aufgrund seiner chemischen Struktur ein ausgesprochen breites Wirkspektrum.
Das feine, cremefarbene Pulver mit etwas leicht salzigem Geschmack und zart kiefern- bis grasartigem Geruch ist in Wasser oder Saft leicht löslich. Bewährt hat sich LAG auch sehr gut bei Ohrenentzündungen besonders bei Kindern und anderen Erkrankungen der oberen Atemwege, wie z.B. Sinusitis. Durch Verbesserung der Immunfunktion kann sowohl die Häufigkeit als auch die Intensität der Entzündungen gesenkt werden.
Die sekundären Pflanzenstoffe in Linde und Lärche unterstützen die Wiedererlangung der Gesundheit auch durch ihre antioxidative Wirkung.
Ebenfalls bekannt dürfte die Aloe Vera (Unterfamilie der Affodillgewächse) sein. Sie enthält verschiedene Vielfachzucker. Mannose sorgt für die Erhöhung der Anzahl von T‑Helferzellen (Immunabwehrzellen). Insgesamt wirken die Polysaccharide in antibakteriell, antiallergisch und antiviral. Pilze können abgetötet werden. Auch hier gibt es verschiedene Fertigpräparate.
Das Immunsystem braucht Zucker
Der menschliche Körper besitzt knapp 1 kg unterschiedlicher Immunzellen. Außerdem Antikörper, chemische Botenstoffe (z.B. Interleukine) und Antigene, die an der Immunantwort beteiligt sind. All diese Beteiligten müssen miteinander kommunizieren, um unsere Gesundheit zu gewährleisten. Dafür sollten genügend Glykonährstoffe zur Verfügung stehen. Durch unsere Ernährung und gegebenenfalls zusätzliche Aufnahme von bioaktiven Stoffen sorgen wir dafür.
Bestimmte nützliche Zucker wie LAG werden übrigens von den wichtigen Bakterien im Darm wie die Bifidobakterien bevorzugt aufgenommen, was ihre starke und gewünschte Vermehrung zur Folge hat. Die Konzentration von schädlichen Bakterien nimmt ab.
Verschiedene Zuckerverbindungen können sich auf der Oberfläche von Zellen und Mikroorganismen ablagern. An diesen speziellen Oberflächenstrukturen kann unser Immunsystem Krankheitserreger erkennen und nachfolgend zielgerichtet bekämpfen. Dr. Pies spricht deshalb sehr überzeugend vom „Zucker als Sprache der Zellen“.
(Quellen: „Neue Wege zur Gesundheit“ Konstantin Verlag, Ausg.Nr.36/2007, Praxisbuch der Heilpflanzenkunde U. Bühring, 2014 F. Haug-Verlag, Prevent Network – Initiative für internationalen Erfahrungsaustausch zur orthomolekularen Medizin, Herder Lexikon der Biologie in 8 Bänden, Spektrum Akademischer Verlag, 1994)
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