All­ge­mei­nes:

Der Rote Fin­ger­hut ist eine zwei­jäh­ri­ge, krau­ti­ge, 30–120 cm hohe Pflan­ze, die zu den Wegerich- und Braun­wurz­ge­wäch­sen ge­hört. Üb­li­cher­wei­se wird die Pflan­ze auch als Di­gi­ta­lis be­zeich­net. Im ers­ten Jahr bil­det sich aus den dün­nen, ver­zweig­ten Wur­zeln eine bo­den­na­he Blatt­ro­set­te, aus der sich im zwei­ten Jahr der grau­fil­zi­ge, viel­kan­ti­ge Stän­gel bil­det. Die be­haar­ten Blät­ter im un­te­ren Stän­gel­be­reich sind lang­ge­stielt, im obe­ren Teil sit­zen die­se eher di­rekt am Stän­gel. Die bis zu 20 cm lan­gen, ei­för­mi­gen Blät­ter wei­sen ei­nen ge­kerb­ten bis ge­säg­ten Blatt­rand auf. Arz­nei­lich ge­nutzt wer­den ge­trock­ne­te Blät­ter. Die ni­cken­den, pur­pur­far­be­nen bis vio­let­ten Blü­ten ste­hen im end­stän­di­gen, trau­bi­gen Blü­ten­stand. Je­weils 5 Kron­blät­ter sind zu dem 4–6 cm lan­gen, ei­nem Fin­ger­hut ähn­li­chen Ge­bil­de ver­wach­sen. Die In­nen­sei­te ist mit Haa­ren und dunk­len, hell um­ran­de­ten Fle­cken ver­se­hen. Nach der Blü­te ent­wi­ckelt sich die Frucht, eine ei­för­mi­ge, be­haar­te Kap­sel, die die Sa­men einschließt.

Die Di­gi­ta­lis be­vor­zugt fri­sche, nähr­stoff­rei­che, sau­re Bö­den und halb­schat­ti­ge Ge­bie­te. Man fin­det sie in Wäl­dern, an Ab­hän­gen und auf Kahl­schlä­gen. Ver­brei­tet ist der Rote Fin­ger­hut in West- und Mit­tel­eu­ro­pa, Chi­le und Ar­gen­ti­ni­en. Er wird z.B. in den Bal­kan­län­dern, Ös­ter­reich und der Schweiz kultiviert.

Be­son­de­res:

Der Rote Fin­ger­hut ent­hält mehr als 20 herz­wirk­sa­me Di­gi­ta­lis­gly­ko­si­de. Zu die­sen, che­misch be­trach­tet, Car­den­o­lid­gly­ko­si­den ge­hö­ren z.B. die Pur­pu­rea­gly­ko­si­de A, B und E, Gi­to­xi­gen­in, Di­gi­to­xi­gen­in und Gi­taloxi­gen­in. Die Herz­wirk­sam­keit be­steht in der Stei­ge­rung der Pump­leis­tung des Herz­mus­kels, wo­durch die Durch­blu­tung im Kör­per ak­ti­viert und eine un­ge­sun­de Was­ser­an­samm­lung durch die er­höh­te Harn­men­ge be­sei­tigt wer­den kann. Da­bei wächst der Sau­er­stoff­be­darf des Her­zens nicht, so dass eine Über­for­de­rung die­ses Or­gans nicht ge­ge­ben ist. Die Herz­ar­beit wird ins­ge­samt öko­no­mi­scher, weil eine ver­lang­sam­te Herz­fre­quenz dies zu­lässt. Der ver­rin­ger­te Druck in den Ve­nen führt zum Ab­bau des Blut­rück­staus und ge­stei­ger­ter Harn­ab­ga­be. Die ner­vös ge­steu­er­te Er­re­gungs­lei­tung zwi­schen Herz­vor­hof und ‑kam­mer er­fährt eine Ver­lang­sa­mung, die Er­re­gungs­bil­dung selbst wird ge­för­dert. Die­ser Ef­fekt ist nicht un­pro­ble­ma­tisch, so dass ärzt­li­che Auf­sicht bei der An­wen­dung ge­for­dert ist. Car­den­o­lid­gly­ko­si­de sind gif­tig. Sa­po­nine sor­gen da­für, dass die Di­gi­ta­lis­gly­ko­si­de ein­fa­cher auf­ge­nom­men wer­den kön­nen. Schlei­me ha­ben stoff­wech­sel­an­re­gen­den und leicht ent­zün­dungs­hem­men­den Effekt.

An­wen­dung:

In­ner­lich (stan­dar­di­sier­te Fer­tig­prä­pa­ra­te, nur nach ärzt­li­cher, in­di­vi­du­el­ler An­wen­dungs­vor­schrift) bei:

  • All­ge­mei­ner Herz­in­suf­fi­zi­enz (Herz­schwä­che)
  • Un­re­gel­mä­ßi­ger Herz­tä­tig­keit, Vorhofflimmern
Fingerhut roter

Il­lus­tra­ti­on: Franz Eu­gen Köh­ler, Köhler’s Medizinal-Pflanzen – List of Koeh­ler Images, 1897

His­to­ri­sches:

Der Name der Pflan­ze lei­tet sich vom La­tei­ni­schen ab. Di­gi­tus – der Fin­ger. Pur­pu­rea – steht für die pur­pur­far­be­nen Blü­ten. Der Name Fin­ger­hut ist si­cher­lich dem Hand­werks­zeug ei­nes Schnei­ders ent­lehnt. Der Bo­ta­ni­ker und bri­ti­sche Arzt Wil­liam Wi­the­ring (1741−1799) be­schäf­tig­te sich in­ten­siv mit dem Ro­ten Fin­ger­hut. Sein Schwer­punkt wa­ren die Di­gi­ta­lis­gly­ko­si­de. Er be­schrieb auch die mög­li­chen Pro­ble­me bei Über­do­sie­rung. Be­han­delt wur­den Öde­me, für die Herz­schwä­che ur­säch­lich war.

An­mer­kung:

Auf­grund der Gif­tig­keit zählt Di­gi­ta­lis nicht zu den tra­di­tio­nel­len Arz­nei­mit­teln, ist aber eine wich­ti­ge ein­hei­mi­sche Arz­nei­pflan­ze. Es wer­den in der Re­gel iso­lier­te che­mi­sche Rein­sub­stan­zen für Prä­pa­ra­te ver­wen­det. Sehr ähn­li­che Wir­kung zeigt auch der => Wol­li­ge Fin­ger­hut.

Hin­weis:

Da die not­wen­di­ge Do­sis für die Wirk­sam­keit vom Ro­ten Fin­ger­hut und die Do­sis für Ver­gif­tungs­er­schei­nun­gen sehr eng bei­ein­an­der lie­gen, be­steht Ver­schrei­bungs­pflicht und ent­spre­chen­de Kon­troll­un­ter­su­chun­gen durch den Arzt wäh­rend der An­wen­dung. Prä­pa­ra­te dür­fen nicht bei er­höh­ten Kal­zi­um­wer­ten und Ka­li­um­man­gel im Blut ge­nutzt wer­den, da eine pro­ble­ma­ti­sche Ver­stär­kung des Heil­mit­tels er­wart­bar ist.

© Ant­je Hr­di­na ● Heilpflanzenkompendium

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