Allgemeines:
Der Wollige Fingerhut ist eine ein- bis zweijährige, krautige, bis 120 cm hohe Pflanze, die zu den Wegerich- und Braunwurzgewächsen gehört. Aus den dünnen, verzweigten Wurzeln bildet sich eine bodennahe Blattrosette, aus der sich ein behaarter, vielkantiger und in der Regel unverzweigter Stängel entwickelt. Die schmalen lanzettlichen, etwa 3 cm langen Blätter sind bis auf den zart gesägten Blattrand und die Blattnerven unbehaart. Arzneilich genutzt werden die getrockneten Blätter. Die zwittrigen, 2–3 cm langen, nickenden Blüten, weisen weißlich bis gelbbraune, zu einem dem Fingerhut ähnlichen Gebilde verwachsene 5 Kronblätter auf. Innen zeigen sich die Kronblätter oft violett geadert. Die Blütenstiele und der Kelch sind wollig behaart. Der Blütenstand selbst erscheint endständig und traubig. Nach der Blüte entwickeln sich die eiförmigen Kapselfrüchte, die viele kleine, gerippte Samen einschließen.
Der Wollige Fingerhut bevorzugt sonnenreiche und eher trockene Gebiete, er wächst auf steinigen Brachflächen, in lichten Wäldern und Gebüschen. Beheimatet ist der Wollige Fingerhut in Südosteuropa, Ungarn und Griechenland. Der Anbau erfolgt besonders in Holland, der Schweiz, Italien und Nordafrika.
Besonderes:
Der Wollige Fingerhut enthält viele Herzglykoside (Cardenolidglykoside), wie z.B. Lantaoside A, B und C. Die Herzwirksamkeit besteht in der Steigerung der Pumpleistung des Herzmuskels, wodurch die Durchblutung im Körper aktiviert und eine ungesunde Wasseransammlung durch die erhöhte Harnmenge beseitigt werden kann. Dabei wächst der Sauerstoffbedarf des Herzens nicht, so dass eine Überforderung dieses Organs nicht gegeben ist. Die Herzarbeit wird insgesamt ökonomischer, weil eine verlangsamte Herzfrequenz dies zulässt. Der verringerte Druck in den Venen führt zum Abbau des Blutrückstaus und gesteigerter Harnabgabe. Die nervös gesteuerte Erregungsleitung zwischen Herzvorhof und ‑kammer erfährt eine Verlangsamung, die Erregungsbildung selbst wird gefördert. Dieser Effekt ist nicht unproblematisch, so dass ärztliche Aufsicht bei der Anwendung gefordert ist. Cardenolidglykoside sind giftig. Saponine sorgen dafür, dass diese Herzglykoside einfacher aufgenommen werden können. Schleime haben stoffwechselanregenden und leicht entzündungshemmenden Effekt.
Anwendung:
Innerlich (standardisierte Fertigpräparate, nur nach ärztlicher, individueller Anwendungsvorschrift) bei:
- Allgemeiner Herzinsuffizienz (Herzschwäche)
- Unregelmäßiger Herztätigkeit, Vorhofflimmern
Historisches:
In mittelalterlichen Schriften und Kräuterbüchern wurde der Wollige Fingerhut noch nicht erwähnt, zumal er als Gartenpflanze auch noch keine Rolle spielte. Der Wollige Fingerhut gilt heute als Konkurrent für den Roten Fingerhut. In Russland ist Digitalis ambigua (Großblütiger Fingerhut) die Nummer 1. Der Name der Pflanze leitet sich aus dem Lateinischen ab. Digitus – der Finger. Lanata heißt wollig. Der Name Fingerhut ist sicherlich dem Handwerkszeug eines Schneiders entlehnt.
Anmerkung:
Aufgrund der Giftigkeit zählt Digitalis nicht zu den traditionellen Arzneimitteln, ist aber eine wichtige einheimische Arzneipflanze. Es werden in der Regel isolierte chemische Reinsubstanzen für Präparate verwendet. Sehr ähnliche Wirkung zeigt auch der => Rote Fingerhut. Allerdings sind die Cardenolidglykoside des Wolligen Fingerhutes besser verträglich, können schneller aufgenommen und ausgeschieden werden, womit die langfristige Ansammlung von diesen Wirkstoffen im Körper wesentlich geringer ist. Der Wollige Fingerhut hat eine höhere Toxizität, lässt sich aber einfacher kultivieren.
Hinweis:
Da die notwendige Dosis für die Wirksamkeit vom Wolligen Fingerhut und die Dosis für Vergiftungserscheinungen sehr eng beieinander liegen, besteht Verschreibungspflicht und entsprechende Kontrolluntersuchungen durch den Arzt während der Anwendung. Präparate dürfen nicht bei erhöhten Kalziumwerten und Kaliummangel im Blut genutzt werden, da eine problematische Verstärkung des Heilmittels erwartbar ist.
© Antje Hrdina ● Heilpflanzenkompendium