Wesen, wie aus einer anderen Welt
In Zeiten, in denen Menschen von Zucchini & Co. im Vorgärtlein schwärmen, veganes Duschbad bevorzugen und nur noch Bio-Wein trinken, verschwenden wir kaum noch Gedanken an uralte, unheimliche und klitzekleine Mitbewohner, die Generationen vor uns plagten. Mit modernsten Mikroskopen zu ansehnlicher Gestalt vergrößert, erscheinen diese Wesen einem Horrorfilm entsprungen. Natur hat Charakter. Sie sind (wieder) da.
Krätzemilben. Krätzealarm im Kindergarten (Bad Berneck), Krätzealarm in der Schule der Bereitschaftspolizei in Bruchsal. Krätze – klingt eklig und ist es auch. Das Wort kommt aus dem Lateinischen und bedeutet tatsächlich: kratzen. Es handelt sich um eine entzündliche Reaktion der Haut des Menschen nach dem Befall mit diesen, zu den Spinnentierchen gehörenden, Kleinstlebewesen. Juckreiz und Haarausfall können die Folge sein. Bei schwachem Immunsystem und starkem Befall treten großflächige Verschorfungen nicht selten auf. Chronische Krankheitsverläufe und Folgeinfektionen sind dokumentiert.
Information
Die weiblichen Krätzemilben fressen waagerechte, bis 5 cm lange Gänge (Stollen) in die Haut, legen dort Kot und 20–50 befruchtete Eier ab. Die daraus entwickelten Larven gelangen auf die Hautoberfläche. Der Juckreiz kommt durch die Eier, den Kot und die Milbenbewegung selbst zustande. Erwachsene Milben vermehren sich nach ca. 3 Wochen auf dem gleichen Wirt weiter oder gehen bei Gelegenheit auf einen anderen Menschen über. Die Spinnentierchen ernähren sich von aufgelösten Hautzellen des Menschen.
Krätzemilben – alte Bekannte
Wahrscheinlich fanden die Krätzemilben und der Mensch schon vor 10.000 Jahren zueinander. Das heißt, die Milben entdeckten den in die wärmeren Flusstäler gewanderten Menschen als idealen Wirt. Als Parasiten nisteten sie sich bevorzugt in Körperfalten wie Nabelbereich, Ellenbogen und Schambereich ein. Die Wärme liebenden „Fleischbeißer“ waren geschützt und konnten sich gut in der Hautoberschicht vermehren und entwickeln. Sie schufen schon immer gute Eingangspforten für andere Krankheitserreger. Da die Menschen in sehr engen Gruppen zusammenlebten und viel Körperkontakt angesagt war, hatten die Winzlinge es leicht, sich zu verbreiten. Bereits Aristoteles (384 v. Chr. – 322 v. Chr.) waren die sogenannten Juckmilben gut bekannt. Er erkannte das hohe Ansteckungspotenzial. Allerdings kam es früher oft zu Verwechslungen mit Lepra, da sich die Symptome ähneln. Lepra ist eine durch das Mycobacterium leprae verursachte Infektionskrankheit der Haut, auch als „Aussatz“ bezeichnet. Übrigens soll auch Napoleon Bonaparte (1769−1821) stark unter Krätze gelitten haben.
Man bringt die Krätze meist mit Armut und Schmutz in Verbindung, denkt an Mittelalter und geht von einem Problem explizit in sogenannten Elendsvierteln aus. Das ist falsch.
Krätze – leider keine Fake News
Nein, es gab und gibt die Hautkrankheit immer und fast überall. Jedoch in Industrieländern wie Deutschland eigentlich auf sehr niedrigem Niveau. Die Weltgesundheitsorganisation WHO bezeichnete 2013 Skabies (medizinischer Fachbegriff für Krätze) als „vernachlässigte Tropenkrankheit“, was gleichzeitig einen Hinweis auf sehr warme Gebiete als Wohlfühlorte der Krätzemilben gibt. Ja – Milben lieben auch die kuschelige Bettwärme.
Weltweit sind ca. 300 Mio. Menschen erkrankt. Fakt ist, dass in sehr heißen Ländern bis zu 15% der Bevölkerung unter der Infektionskrankheit leiden. In Deutschland steigen die Zahlen ebenfalls. 2016 gab es 7.000 Meldungen bei den Gesundheitsämtern (Berliner Robert-Koch-Institut). Es wird von sprunghaftem Anstieg in einzelnen Städten gesprochen. Allerdings sind Zahlen bezüglich diagnostizierter Krätzefälle schwierig, da z.B. niedergelassene Ärzte keiner Meldepflicht unterliegen. Als besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen gelten solche, die eng zusammenleben. Somit gilt die spezielle Aufmerksamkeit z.B. Kindereinrichtungen, Gefängnissen, Seniorenheimen, Flüchtlingsunterkünften, Gemeinschaftsunterkünften Obdachloser aber auch – bei schnellen Nutzerwechseln – Hotels.
Hinweise
[wp-svg-icons icon=»point-right« wrap=»i«] Krätzemilben sind nicht auf unhygienische Situationen und Umgebung angewiesen
[wp-svg-icons icon=»point-right« wrap=»i«] Krätze gilt als sexuell übertragbar
[wp-svg-icons icon=»point-right« wrap=»i«] Personen mit geschwächtem Immunsystem wie Kinder, ältere Menschen, Frauen nach der Geburt eines Kindes und Menschen mit wechselnden Sexualpartnern gelten als gefährdet
[wp-svg-icons icon=»point-right« wrap=»i«] Übertragung durch Tiere ist nicht nachgewiesen
Kampf den Parasiten
Die Krätzemilben erwiesen sich als – bis in die Gegenwart – robuste Überlebenskünstler. Da es sie seit Ewigkeiten auf der Erde gibt, hatten die Spinnentierchen genügend Zeit, sich anzupassen. Heute gehen sie oft weniger rabiat zu Werke, d.h. die Symptome sind meist nicht so stark blutig krustige Hautveränderungen sondern ähneln vorerst denen von leichteren Ekzemen. Die Diagnose dauert deshalb in der Regel länger, zumal nicht alle Ärzte ausreichend Erfahrung mit entsprechenden Patienten haben. Die Arbeit mit dem Dermaskop (spezielles Mikroskop für die Haut) gibt Klarheit. Da die Krätzefälle in Deutschland derzeit zunehmen, sollen an dieser Stelle Behandlungsmöglichkeiten vorgestellt werden:
Schulmedizin
Ursprünglich aus der Tierheilkunde stammt das Medikament Ivermectin, ein Wurmbekämpfungsmittel. Die Inhaltsstoffe des Präparates blockieren den Stoffwechsel der Milben und führen damit letztlich zu ihrem Tod. Permethrin, ein synthetisch hergestellter Wirkstoff, ist seit 2004 in Deutschland ebenfalls zur Behandlung zugelassen. Es gibt die Hoffnung, dass die anpassungsstarken Krätzemilben keine Resistenzen entwickeln (werden).
Naturheilkunde – Alternativmedizin
Wie so oft hat die Natur schon das richtige Rezept für uns vorbereitet. Der Australische Teebaum ist ein sehr effektiver und nachhaltiger Helfer. Das Teebaumöl enthält verschiedene Monoterpene, z.B. speziell hoch wirksames Terpinen-4-ol, dessen milben‑, bakterien- und pilzabtötende Eigenschaften sich seit Langem bewährt haben. Das Öl kann tiefergelegene Hautschichten durchdringen, die Zellmembran der Krätzemilben angreifen und sogar deren Erbsubstanz zerstören. Die Stärkung des Immunsystems ist als Begleittherapie sehr zu empfehlen. Auch hier stehen heilkräftige Pflanzen zur Verfügung wie z.B. der Heilbaum Lärche. Lärchenextrakt (Taxifolin, LAG) unterstützt nicht nur das Immunsystem sondern verfügt über eine Vielzahl anderer positiver Effekte.
Hausmittel aus Omas Zeiten
[wp-svg-icons icon=»point-right« wrap=»i«] Aloe Vera (Hautregeneration)
[wp-svg-icons icon=»point-right« wrap=»i«] Zwiebelschalen (antibakteriell)
[wp-svg-icons icon=»point-right« wrap=»i«] Walnussschalenextrakt (antibakteriell)
Was ist sonst noch zu beachten? Kleidung und Handtücher möglichst sehr häufig wechseln und bei mind. 60°C waschen, Wohnung oft saugen, Fingernägel sehr kurz halten.
Die Parasiten sollen ja nicht wiederkommen …
Übrigens... (auch keine Fake News):
Es gibt auch tolle Milben. Atmen wir auf und lösen uns vom Ekel. Das Zauberwort heißt: Käsemilben. Ja, ein Nutztier könnte man sagen, mit der klangvollen Bezeichnung Thyroglyphus casei L. (neu: Thyroplyphus siro). Mit der Unterstützung dieser Milben entsteht in Sachsen Anhalt ein Käse der Sonderklasse – Der Milbenkäse.
„Ich kriege die Krätze!“ – sagt man landläufig bei unangenehmen Überraschungen.
Jetzt nicht mehr, Sie haben sich informiert und sind vorbereitet.
(Quellen: „Naturheilpraxis heute“, E. Bierbach, Urban & Fischer Verlag, 2013; „Der feine Geschmack der Spinnentiere“, G. Keil, Berliner Zeitung v. 07.12.2017; „Wenn die Haut plötzlich juckt“, B. Strassmann, DIE ZEIT v. 30.11.2017; Herder Lexikon der Biologie in 8 Bänden, Spektrum Akademischer Verlag, 1994)
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