Allgemeines:
Die Gemeine Wegwarte (auch Zichorie) ist eine mehrjährige, Milchsaft führende, krautige, etwa 80–150 cm hohe Pflanze, die zu den Korbblütengewächsen gehört. Die feste Verankerung im Boden wird durch eine rübenähnliche, lange schlanke Pfahlwurzel sichergestellt. Der starre, ästige, kantige und hohle Stängel weist eine raue Behaarung auf. Wechselständig angeordnete Blätter sind auf der Unterseite meist borstig behaart, wobei der Umriss der Blätter im unteren Stängelbereich fiederartig geschnitten, dagegen im oberen Teil eher lanzettlich erscheint. Ein grob gezähnter Blattrand kennzeichnet die Wegwarte ebenfalls. Von einer walzenartigen Hülle umgebene Blütenkörbe (Durchmesser 20–40 mm) sitzen endständig in den Blattachseln. Es fallen weißlich bis hellblaue, manchmal rosafarbene Kronblätter auf, wobei sich die Blüten selbst nur bei hoher Sonneneinstrahlung öffnen. Nach der Blüte setzt die Entwicklung der 2–3 mm langen, eiförmigen Achänen (Nussfrüchte) ein. Medizinisch verwendet werden das blühende getrocknete Kraut und die Wurzeln.
Die Gemeine Wegwarte bevorzugt trockenen, nährstoffreichen, eher lehmigen Boden und intensive Sonneneinstrahlung. Sie wächst z.B. an Wegrändern und Böschungen, in Steinbrüchen und auf Ödland in Europa, Westasien, Nordwestafrika, Amerika und Neuseeland.
Besonderes:
Die Gemeine Wegwarte ist ein Tonikum amarum, d.h. ein Kräftigungs- und Anregungsmittel. Die enthaltenen Bitterstoffe (Intybin, Lactucin) haben die Erhöhung des Druckes der glatten Muskulatur (z.B. des Gallenbereiches, Bronchial- und Verdauungstraktes, der Blutgefäße, Niere und Blase) zur Folge. Die Kontraktion der Gallenblase fördert die Abgabe von Verdauungssäften und verbessert damit die Verdauung insgesamt. Die kräftigen Bittermittel wirken durchblutungsfördernd, herzstärkend, antriebssteigernd und stimmungsaufhellend. Durch Aktivierung der Schweißdrüsen kann Fiebersenkung unterstützt werden. Bekannt sind positive Effekte auf die unspezifische Immunabwehr durch die Förderung der Bildung von Leukozyten (weiße Blutkörperchen). Gerbstoffe weisen keim- und entzündungshemmende Eigenschaften auf. Die Gemeine Wegwarte wirkt krampflösend und schmerzlindernd. Sie enthält Inulin, welches vorrangig aus unverdaulichen, wasserlöslichen Fruktosepolysacchariden (Vielfachzucker) besteht. Es wird nicht zum Einfachzucker Glukose abgebaut, weshalb auch nicht das Hormon Insulin zur Verstoffwechselung notwendig ist. Dies ist für die Herstellung von Lebensmitteln, besonders für Diabetiker interessant. Ebenfalls sind gefäßschützende und den Cholesterinspiegel senkende Eigenschaften von Inulin bekannt. Flavonoide (z.B. Hyperosid) zeigen entzündungshemmende und gefäßerweiternde Effekte.
Anwendung:
Innerlich (Tee, Tinkturen) und äußerlich (Waschungen, feuchte Umschläge) bei:
- Störungen der Galle und Leber
- Schwäche der Bauchspeicheldrüse
- Blähungen, Völlegefühl, Appetitlosigkeit
- Kopfschmerzen
- Hauterkrankungen und Hautunreinheiten
Historisches:
Bereits im Altertum wurde die Gemeine Wegwarte als Gemüse- und Heilpflanze z.B. gegen Augenkrankheiten, Magenleiden und in sogenannten Zaubertränken genutzt. Die auffallend strahlend blauen Blüten standen symbolisch für eine Prinzessin, die am Wegesrand auf ihren Prinzen wartet. Seit Beginn des 18. Jahrhunderts wird die Pflanze kultiviert. Der Naturheilarzt Sebastian Kneipp (1821−1879) hat die Gemeine Wegwarte für die Volksheilkunde entdeckt. Er empfahl die Pflanze bei Magen‑, Gallen- und Leberleiden. Die Wegwartenwurzel ist schon in der Volksheilkunde für die Bindung von Schwermetallen bekannt. Im 19. Jahrhundert diente die Pfahlwurzel in Krisenzeiten als Bohnenkaffeeersatz oder ‑zusatz. Meist unter der Bezeichnung Zichorienkaffee oder Muckefuck, „mocca faux“ bedeutet „falscher Kaffee“, wurde die Wurzel geröstet und gemahlen verwendet. In den letzten Jahren hat dieser Kaffee wieder mehr Beachtung gefunden, wohl weil kein Koffein enthalten ist.
Anmerkung:
Die Kombination mit Löwenzahn und Pfefferminze in einer Kräuterteemischung ist empfehlenswert. Reiner Wegwartentee kann ebenfalls gut angewendet werden. Wegwarte eignet sich gut für Kinder.
Hinweis:
Nicht anzuwenden ist die Gemeine Wegwarte bei Allergien gegen Korbblütengewächse. Ärztliche Konsultation bei Vorliegen von Gallensteinproblemen ist angeraten.
© Antje Hrdina ● Heilpflanzenkompendium