Allgemeines:
Die Fleischfarbige Passionsblume ist eine ausdauernde, krautige, bis zu 8 m hohe Kletterpflanze, die zu den Passionsblumengewächsen gehört. Aus den unterirdischen Rhizomen (Wurzelstöcken) entwickeln sich eher zarte, unbehaarte, leicht gerillte, rankende und zunehmend verholzende Stängel. Wechselständig angeordnet findet man die 3–5lappigen, fein gezähnten, mit je zwei Blattstieldrüsen (Nektardrüsen) ausgestatteten Blätter. Die Blattlappen weisen eiförmig lanzettliche Form auf. Häufig bilden sich in den Blattachseln korkenzieherähnliche Ranken. In jungen Blattachseln wachsen die gestielten, radiärsymmetrischen Einzelblüten mit einem Durchmesser von 4–8 cm. Weiße, fleischfarbene oder violette Kronblätter sind länglich eiförmig, am Ende stumpf auslaufend. Im Zentrum der Kronblätter fällt ein dichter Fadenkranz, meist violett und weiß gestreifter Nebenkronblätter, auf. Die Kelchblätter sind an der Basis zu einer Röhre verwachsen. Nach der Blüte entwickeln sich eiförmige, gelbe Beeren mit vielen fleischig-saftig eingehüllten Samen.
Medizinisch verwendet wird in der Regel das getrocknete oder frische Kraut mit Blüten. Ursprünglich stammt die frostresistente und widerstandsfähige Fleischfarbige Passionsblume aus Nordamerika, ist in Amerika und Indien heimisch.
Besonderes:
Bei der Fleischfarbigen Passionsblume kann der Gehalt an wirksamen Substanze je nach Wachstumsort und klimatischen Veränderungen im Jahresverlauf sehr unterschiedlich sein. Zu den wesentlichen Inhaltsstoffen zählen Flavonoide (z.B. Vitexin, Chrysin, Maltol), ätherisches Öl, Saponine, Cumarine, Alkaloide (z.B. Harman, Harmin, Harmol, Harmalin). Im Zusammenspiel ergeben sich zusammenziehende, ausgleichende, Nervosität reduzierende, den Blutdruck senkende, Angst lösende Effekte. Das Herz, Reizmagen und –darm beruhigen sich. Die angstlösenden, schlaffördernden und stimmungsaufhellenden Wirkungen ergeben sich durch den aktivierenden Einfluss der Flavonoide auf den informationsübertragenden Nervenstoff (Neurotransmitter) Gammaaminobuttersäure, der letztlich zu Erregungsminderung führt. Die Inhaltsstoffe senken die motorische Aktivität und die Herzfrequenz.
Bei Abhängigkeiten z.B. von Alkohol, Morphium oder Nikotin können Entzugserscheinungen abgeschwächt werden. Cumarine haben die Gefäße entkrampfendes, entzündungshemmendes und die Durchblutung förderndes Potenzial, unterstützt vom ätherischen Öl. Saponine vergrößern Oberflächen und sorgen so für eine verstärkte Kontaktaufnahme verschiedener Stoffe, wie die Wirksubstanzen. Kombiniert man Extrakte der Fleischfarbigen Passionsblume mit Johanniskraut, Melisse und Baldrian zeigen sich Synergieeffekte, d.h. die gemeinsam verabreichten Substanzen haben stärkere Wirkung als die Einzelwirkung einer Pflanze.
Anwendung:
Innerlich (Tee, Tinktur, Fertigpräparate) bei:
- Nervöser Unruhe, Angstzuständen, Depressionen, Reizbarkeit, Einschlafproblemen
- Kreislaufschwäche
- Herzrhythmusstörungen
- Reizmagen, Reizdarm
- Asthma
- Wechseljahrsbeschwerden
Historisches:
Speziell die Blüte der Passionsblume wird seit dem 17. Jahrhundert in symbolischen Zusammenhang mit der Passion Christi gebracht. Hierbei soll die Nebenkrone den blutigen Dornenkranz, die drei rotbräunlichen Griffel, die Nägel darstellen, mit denen Christus an das Kreuz genagelt wurde. Die Stängelranken standen für die Geißel als Leidenswerkzeug. Die wissenschaftliche, lateinische Bezeichnung Passiflora incarnata bedeutet „die fleischgewordene Passionsblume“. Nordamerikanischen Ureinwohner verwendeten zur Behandlung von Epilepsie (krampfartiges Anfallsleiden) Blüten und Frucht tragende Krautspitzen. Die allgemein beruhigende Wirkung wurde geschätzt. Diese Passionsblume wurde 2011 zur Arzneipflanze des Jahres gekürt.
Anmerkung:
Es gibt etwa 530 Arten der Passionsblume, wobei im 20. Jahrhundert unzählige gezüchtete Sorten hinzugekommen sind. Die anerkannte Heilpflanzenart ist die Passiflora incarnata. Lediglich Passiflora caerulea (Blaue Passionsblume) ist ersatzweise als Heilpflanze nutzbar. Die Früchte gelten als ungenießbar. Viele Nutzpflanzen unter den Passionsblumenarten (z.B. Maracuja-Pflanze), welche die essbaren Maracujafrüchte bilden, sind bekannt.
Hinweis:
Neben- und Wechselwirkungen sind nicht bekannt. Nach 6 Wochen Daueranwendung ist eine Pause ratsam, Gewöhnungseffekte werden vermieden.
© Antje Hrdina ● Heilpflanzenkompendium