All­ge­mei­nes:

Ipe­cacu­an­ha (auch Brech­wurz, Brech- oder Ruhr­wur­zel) ist ein im­mer­grü­ner, lang­sam wach­sen­der, gif­ti­ger, etwa 20–40 cm ho­her Strauch, der zu den Rö­te­ge­wäch­sen ge­hört. Der kur­ze, recht dün­ne Wur­zel­stock weist vie­le kno­tig oder rin­ge­lig ver­dick­te Sei­ten­wur­zeln auf. Je nach Al­ter und Was­ser­an­ge­bot zei­gen sich die­se un­ter­ir­di­schen Pflan­zen­tei­le grau, braun oder röt­lich ge­färbt. Me­di­zi­nisch ver­wen­det wer­den die Wur­zeln der Pflan­ze. Aus dem Wur­zel­stock bil­den sich im un­te­ren Teil zum kur­zen Stamm ver­hol­zen­de Stän­gel, der obe­re Teil trägt die kurz ge­stiel­ten, paa­rig ge­gen­stän­dig an­ge­ord­ne­ten dun­kel­grü­nen Blät­ter. An der Ba­sis der led­ri­gen, el­lip­ti­schen, in der Re­gel ganz­ran­di­gen Blät­ter fal­len weiß­li­che Ne­ben­blät­ter auf. End­stän­dig wach­sen klei­ne wei­ße, fünf­zäh­li­ge, köpf­chen­ar­ti­ge Blü­ten­stän­de. Die zwitt­ri­gen Blü­ten, trich­ter­ar­ti­ge Kro­nen, sind je­weils von zwei Paar kreuz­ge­gen­stän­di­gen Hüll­blät­tern um­ge­ben. Nach der Blü­te ent­wi­ckeln sich die erb­sen­gro­ßen, zu­nächst pur­pur­far­be­nen, spä­ter dunkelblau-schwarzen, flei­schi­gen Steinfrüchte.

Feuch­te, hei­ße, tro­pi­sche Tief­land­re­gen­wäl­der Bra­si­li­ens, Bo­li­vi­ens und Ni­ka­ra­gu­as gel­ten als Hei­mat der Ipe­cacu­an­ha. Kul­ti­viert wird die Pflan­ze vor­wie­gend auch in Ma­lay­sia und Indien.

Be­son­de­res:

Zu den we­sent­li­chen In­halts­stof­fen der Wur­zeln die­ser Al­ka­lo­id­pflan­ze ge­hö­ren die Ipe­cacu­an­haal­ka­lo­ide, wie Eme­tin, Ce­pha­e­lin, Psy­cho­t­rin. Be­son­ders Eme­tin ist für an­ti­pa­ri­si­tä­re Ei­gen­schaf­ten zu­stän­dig. Amö­ben (Wech­sel­tier­chen), die zu den ein­zelli­gen Or­ga­nis­men ge­hö­ren und ur­säch­lich für die Amö­ben­ruhr sind, kön­nen wir­kungs­voll be­kämpft wer­den. Ge­rin­ge Al­ka­lo­id­do­sen ha­ben den Aus­wurf för­dern­den (z.B. bei zä­her Bron­chi­tis) und hö­he­re Do­sen brech­reiz­erre­gen­den Cha­rak­ter (als Brech­mit­tel bei Ver­gif­tun­gen). Al­ka­lo­ide wir­ken spe­zi­ell über das Zen­tral­ner­ven­sys­tem. Der durch den Va­gus­nerv ak­ti­vier­te Pa­ra­sym­pa­thi­kus (Teil des ve­ge­ta­ti­ven Ner­ven­sys­tems) be­ein­flusst Or­ga­ne wie die Bron­chi­en ein­schließ­lich der Lun­ge, das Herz und den Magen-Darm-Trakt.

Hohe Do­sen: Der Druck der glat­ten Mus­ku­la­tur er­höht sich. Es fol­gen Krämp­fe der Luft­röh­re, an­hal­ten­der Stuhl- und Harn­drang, die feins­ten Blut­ge­fä­ße (Ka­pil­la­ren) der Schleim­häu­te sind hoch ak­tiv. Die Rei­zung der Schleim­häu­te löst gro­ße Übel­keit und Er­schöp­fung aus. Be­glei­tet von star­kem Spei­chel­fluss, Schweiß­aus­brü­chen, Schwin­del und Mus­kel­schwä­che, ho­hem Puls fin­det Er­bre­chen statt.

Ge­rin­ge Do­sen: Zä­her Schleim wird ver­flüs­sigt, das Ab­hus­ten er­leich­tert. In der Wur­zel ent­hal­te­ne Iri­do­ide ver­bes­sern die Durchblutung.

An­wen­dung:

In­ner­lich (Fer­tig­arz­nei­mit­tel, Auf­guss, Flu­id, al­ko­ho­li­sche Aus­zü­ge, Si­rup, Tink­tur) bei:

  • Bron­chi­tis, Er­käl­tun­gen mit zä­hem Schleim (ge­rin­ge Dosierung)
  • Brech­mit­tel bei Ver­gif­tun­gen (hohe Dosierung)
  • Amö­ben­ruhr
Ipecacuanha-Brechwurzel-Koehlers Medizinal-Pflanzen-251

Brech­wur­zel (Ca­ra­pi­chea ipe­cacu­an­ha), Il­lus­tra­ti­on Franz Eu­gen Köh­ler, Köhler’s Medizinal-Pflanzen (1897)

His­to­ri­sches:

Ih­ren deut­schen Na­men er­hielt, aus Süd­ame­ri­ka nach Eu­ro­pa ge­bracht, Ipe­cacu­an­ha nach ei­ner Haupt­wir­kung: Brech­wurz oder Brech­wur­zel. Um 1680 wur­de die Wur­zel vom fran­zö­si­schen Arzt Jean Adri­en Hel­vé­ti­us (1661- 1727) als pro­ba­tes Mit­tel ge­gen Dys­en­te­rie (Ruhr) ge­nutzt. Mit sei­nem Ge­heim­re­zept soll er viel Geld ver­dient ha­ben. In nied­ri­ger Do­sie­rung ver­wen­de­te man die Wur­zel als schweiß­trei­ben­des Mit­tel, ge­gen Hus­ten und Durch­fall. Das Al­ka­lo­id Eme­tin konn­te 1817 vom Che­mi­ker und Phar­ma­zeu­ten Pierre-Joseph Pel­le­tier (1788−1842) und dem Me­di­zi­ner, Phy­sio­lo­gen und Ana­tom Fran­çois Me­gen­die (1783−1855) iso­liert wer­den. Pel­le­tier be­schäf­tig­te sich als ei­ner der Ers­ten mit den Wirk­stof­fen von Heilpflanzen. 

An­mer­kung:

In wär­me­ren Län­dern wach­sen die al­ka­lo­id­hal­ti­ge­ren Pflan­zen. Auf­grund der in­ten­si­ven Wir­kung auf das Zen­tral­ner­ven­sys­tem des Men­schen (und der Tie­re) wird die Ipe­cacu­an­ha den gif­ti­gen Heil­pflan­zen und hoch­wirk­sa­men Phy­to­phar­ma­ka zu­ge­ord­net. Man­che Ärz­te ver­ord­nen ei­nen Auf­guss der Wur­zel mit Si­rup vom Eibisch.

Hin­weis:

Me­di­ka­men­te aus der Ipe­cacu­an­ha sind in Deutsch­land ver­schrei­bungs­pflich­tig. Die Ipe­cacu­an­ha ist bes­ser nur in Form von stan­dar­di­sier­ten Fer­tig­arz­nei­mit­teln und nach Rück­spra­che mit Fach­per­so­nal zu ver­wen­den, da sie sehr gif­tig ist. Bei Über­do­sie­rung kann es zu Rei­zun­gen der Schleim­haut im Magen-Darm-Trakt, blu­ti­gen Durch­fäl­len, Krämp­fen, Atem­not, Herz­schwä­che und Le­ber­ver­gif­tun­gen kom­men. Bei äu­ßer­li­chem Kon­takt mit dem Pul­ver aus der Wur­zel sind Rei­zun­gen der Haut (Bläs­chen­bil­dung) und der Au­gen möglich.

© Ant­je Hr­di­na ● Heilpflanzenkompendium

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