Allgemeines:
Das Wilde Stiefmütterchen ist eine meist mehrjährige, 10–25 cm hohe, in vielen Unterarten und Varietäten vorkommende Pflanze, die zu den Veilchengewächsen gehört. Der gelblich-grüne, leicht vierkantige, verästelte Stängel wächst vom Boden aufsteigend. Die Blätter sind wechselständig angeordnet, wobei die in Bodennähe herz-eiförmige, obere dagegen länglich-lanzettliche Form aufweisen. Bei allen Blättern lässt sich ein gekerbter Rand erkennen. Je zwei Vorblätter tragende Blütenstiele wachsen einzeln in den Blattachseln. Endständig entwickeln sich die ca. 3 cm großen, leicht nickenden, zwittrigen Blüten. Die Kronblätter sind variantenreich dreifarbig, meist weiß-hellgelb-rosa-violett gefärbt, wobei vier nach oben und eins nach unten zeigen. An diesem zeigt sich ein länglicher Sporn (Honigsporn), von welchem aus der Nektar abgesondert wird. Violette Streifen durchziehen nicht alle Kronblätter. Nach der Blüte entwickelt sich die Frucht, eine Dreiklappkapsel, die beim Aufspringen viele kleine Samen herausschleudert. Ameisen fressen diese u.a. und unterstützen so die Verbreitung des Wilden Stiefmütterchens. Medizinisch verwendet wird das blühende, getrocknete Kraut.
Das Wilde Stiefmütterchen bevorzugt sandige, magere und saure Böden, wächst z.B. auf trockenen Wiesen, an Wegrändern, auf Äckern und Brachland. In Europa weit verbreitet findet man die Pflanze bis in Höhen von 2500 m.
Besonderes:
Das Wilde Stiefmütterchen enthält etwa 10% Schleimstoffe (z.B. Glycose, Galactose, Arabinose), Salicylsäure und deren Derivate (Abkömmlinge), die u.a. schleimlösende, entzündungshemmende und den Hustenreiz lindernde Wirkung zeigen. Im Zusammenhang mit den Gerbstoffen vermindern Salicylsäureverbindungen Schmerzen und Juckreiz, die Heilungsdauer für Ekzeme kann sich verkürzen. Der Stoffwechsel wird angeregt. Zusammenziehende Effekte erschweren Krankheitserregern die Verbreitung im Körper. Sekundäre Pflanzenstoffe, die Flavonoide (z.B. Luteolin, Rutin) wirken antioxidativ, antimikrobiell und schwach entgiftend. Den enthaltenen Anthocyanidinen (natürliche Farbstoffe) werden zellschützende, krebsvorbeugende und antientzündliche Eigenschaften zugeschrieben, wobei diese speziell äußerlich angewendet, merklich zur Wundheilung beitragen. Cumarine unterstützen mit ihrem zirkulationsfördernden, entzündungshemmenden und den Lymphabfluss fördernden Charakter. Peptide helfen, den Insulinspiegel leicht zu senken. Extrakte des Wilden Stiefmütterchens zeigen leicht kortisonähnliche Effekte.
Anwendung:
Innerlich (Tee, Fertigpräparate) und äußerlich (Bäder, Auflagen, Waschungen, Shampoo, Hautöl, Creme) bei:
- Fieberhaften Erkältungskrankheiten, Katarrh
- Hauterkrankungen (Akne, Milchschorf, Schuppenflechte, Dehnungsstreifen, Ekzemen, Windeldermatitis)
- Rheuma
Eine längere Anwendung ist möglich und hilfreich.
Historisches:
Der Name Stiefmütterchen ist wohl einer Legende entlehnt, von der es verschiedene Versionen gibt. Eine geht von folgender, vielsagender Familienaufstellung aus: Das große untere Kronblatt symbolisiert die Stiefmutter, die zwei variantenreich gefärbten oberen stehen für die leiblichen Töchter, die nur einfach gefärbten (meist violett) oberen stellen die beiden Stieftöchter dar, welche sich mit einem gemeinsamen Kelchblatt bescheiden müssen. Der Vater ist eher nicht in Sicht – höchstens kaum wahrnehmbar in Gestalt von Narbe und Griffel der Blüte.
Seit dem Mittelalter wird das Wilde Stiefmütterchen als Zier- und Heilpflanze kultiviert. Seit Mitte des 18. Jahrhunderts behandelte der deutsche Arzt Karl Strack (1722−1805) den Milchschorf bei Kindern innerlich mit Pulver erfolgreich. Im 19. Jahrhundert wurde das Wilde Stiefmütterchen in die Preußische Pharmakopöe aufgenommen, innerlich und äußerlich angewendet bei Hauterkrankungen wie Milchschorf und Ekzemen.
Anmerkung:
Angewendet, z.B. gegen Schuppenflechte, kann eine Haarkur mit der Wurzel des Wilden Stiefmütterchens, Lavendelblüten und Petersilie sehr hilfreich sein. Die Kombination in einer Teekräutermischung mit Ringelblume und Gänseblümchen wirkt sich positiv aus. Die jungen frischen Blätter und Triebe des Wilden Stiefmütterchens sind aufgrund des milden Geschmacks gut für Salat oder als Gemüse zu nutzen. Die leicht süßen, aromastarken Blüten eignen sich als essbare Dekoration von Süßspeisen und Salaten. Kandierte Blüten sorgen für eine Aufwertung von Pralinen.
Hinweis:
Neben- und Wechselwirkungen sind nicht bekannt. Sehr selten kann es zu leichten, kurzzeitigen allergischen Reaktionen kommen.
© Antje Hrdina ● Heilpflanzenkompendium