Allgemeines:
Das Waldvergissmeinnicht ist eine zweijährige, krautige, bis zu 40 cm hohe Halbrosettenpflanze, die zu den Rauhblattgewächsen gehört. Aus der Blattrosette mit den gestielten Blättern entwickelt sich der reich verzweigte Stängel. An diesem wachsen wechselständig angeordnet, weiche, hellgrüne, breit lanzettliche, ganzrandige und kurz behaarte Blätter. Zwittrige, radiärsymmetrische kleine Blüten mit doppelter Blütenhülle stehen in Scheinrispen. Anfangs rosa gefärbt erscheinen die Kronblätter später blassblau, selten weiß oder rötlich. Die Blütenkrone mit kurzer Röhre fällt durch gelbe Schlundschuppen (sogenanntes gelbes Auge) und fünflappigen Saum auf. Kelchblätter sind behaart. Verwendet wird das gesamte frische oder getrocknete Kraut. Nach der Blüte entwickeln sich die vier in Teile zerfallenden Klausenfrüchte (Spaltfrüchte), welche die Samen einschließen.
Das Waldvergissmeinnicht bevorzugt halbschattige Gebiete mit frischen, nährstoffreichen, feuchten Böden. Es wächst z.B. in staudenreichen Gebieten von Gebirgen, an Wald- und Wegrändern, ist fast weltweit verbreitet, besonders in Europa und Asien. Vom Waldvergissmeinnicht leiten sich viele Gartenformen ab.
Besonderes:
Zu den wesentlichen Inhaltsstoffen gehören Alkaloide, Gerbsäuren und das Spurenelement Kalium. Die ganze Pflanze wirkt zusammenziehend, blutstillend, entzündungshemmend, hustenlösend, den Lymphfluss anregend und das Immunsystem stärkend. Zu den Gerbstoffen zählende Gerbsäuren haben die Fähigkeit, die Vernetzung von Eiweißmolekülen zu unterstützen, mit der Haut und Schleimhaut unlösliche Verbindungen zu bilden und folglich zusammenziehend zu wirken. Krankheitserregern wird das Eindringen in den Körper erschwert, ihre Lebensgrundlage eingeschränkt, Blutstillung gefördert. Alkaloide könnten höchstens sehr schwach das Nervensystem beeinflussen. Kalium hat z.B. Bedeutung für die Nerven- und Muskelarbeit, enzymatisch gesteuerte Reaktionen, den Eiweiß- und Zuckerstoffwechsel. Das Waldvergissmeinnicht wirkt eher schwächer und sanfter als andere Heilpflanzen.
Anwendung:
Innerlich (Tee, Tinktur) und äußerlich (Tee, Tinkturen für Umschläge, Bäder, Waschungen) bei:
- Hautentzündungen
- Augenentzündungen
- Entzündungen des Verdauungstraktes
- Lymphknotenschwellungen, Quetschungen
- Durchfall
- Nasenbluten
- Rekonvaleszenz (Genesungsphase)
Historisches:
Bis ins 19. Jahrhundert wurde keine Unterscheidung zwischen einzelnen Arten getroffen. Etwa ab 1830 wurde das Waldvergissmeinnicht in Europa angepflanzt und gezüchtet. In allen Ländern hat die Pflanze den gleichen Namen, z.B. China – „wu wang cao“ – das „Nicht-Vergessen-Kraut“ oder in Großbritannien „forget-me-not“. In alten Schriften ranken sich viele Legenden um die Pflanze. Weil der Schöpfer nach der Welterschaffung den Pflanzennamen immer wieder vergaß, nannte er sie einfach: Vergissmeinnicht. Für ein Liebesorakel: Erde auf Stein gegeben und zwei Vergissmeinnicht darauf gepflanzt. Wuchsen die Pflanzen aufeinander zu, galt dies als Beweis für Liebe, Treue oder baldige Hochzeit. In Berlin ließ man früher gern zahlungsunwilligen Kunden eine Vergissmeinnichtpflanze zukommen. In der Kräutermedizin galt die Pflanze als hilfreich bei Augenkrankheiten, frischer Saft kam gegen Nasenbluten zum Einsatz.
Anmerkung:
Da das Waldvergissmeinnicht keine sehr starke Heilkraft besitzt, geriet es etwas in Vergessenheit. Es weist eine ähnliche, aber schwächere Heilwirkung als Beinwell oder Lungenkraut auf. Nutzbare Arten sind ebenfalls das Ackervergissmeinnicht und das Sumpfvergissmeinnicht mit ähnlichen Eigenschaften. In der Volksmedizin kommt Waldvergissmeinnicht in der Blaue-Blüten-Tinktur zusammen mit Blüten vom Lavendel, Thymian, Salbei, Wegwarte, Ysop und Wohlriechendem Veilchen zur Anwendung. Im Vordergrund stehen die Erhöhung der Konzentration und der Vitalisierung. Einfach von Rispen abgestreifte Blüten sind zurückhaltend dekorativ und essbar.
Hinweis:
Es sollten keine großen Dosen verwendet werden, da die in geringen Mengen enthaltenen Pyrrolizidinalkaloide eventuell gesundheitsschädigend wirken könnten.
© Antje Hrdina ● Heilpflanzenkompendium